#standwithdocumenta

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Hier die ungekürzte Stellungnahme der drei ehemaligen Oberbürgermeister und Aufsichtsratsvorsitzenden der documenta gGmbH Wolfram Bremeier, Hans Eichel und Bertram Hilgen, zum Beschluss des documenta-Aufsichtsrates vom 7. Mai 2024

Kassel, 09.05.2024

Den Empfehlungen der Management-Beratung METRUM, die für die Zukunft der documenta bedrohlich waren, konnten einige Giftzähne gezogen werden.

Dennoch bleiben erhebliche Bedenken. Die documenta gGmbH ist lediglich die Organisationsform, durch die die Ausstellung ermöglicht werden soll. Das verlangt, dass die künstlerische Leitung eine umfassende Intendanzfunktion hat – Augenhöhe ist zu wenig – , während die Geschäftsführung eine eher ermöglichende, sogar dienende Funktion vertritt. Dieses Selbstverständnis findet sich weder in den Gutachten noch dem Beschlusstext. Durch die zunehmende Bürokratisierung der gGmbH besteht die Gefahr, dass jegliche Kreativität, das Wesen von Kunst, zu ersticken droht.

Die Angst vor einem Risiko ist kein guter Ratgeber. Das merkt man den Gutachten und auch den Beschlüssen an. Der Aufsichtsrat hätte demgegenüber mit dem Zurückweisen von jeglichen Einflussversuchen ein positives Zeichen für die Kunstfreiheit setzen und damit der internationalen Kunstwelt signalisieren können, dass – anders als von manchen Kritikern befürchtet – ein freies Kuratieren in Deutschland weiter möglich ist.

Eine Kunstausstellung ist kein Wirtschaftsbetrieb, auch wenn sie wirtschaftlichen Regeln folgen muss. Die documenta ist eine Weltausstellung der Kunst und keine deutsche Kunstausstellung. Die ganze Diskussion der letzten zwei Jahre bleibt sehr schädlich für die documenta. Da alle Beiträge zur documenta fifteen durch die Kunstfreiheit, die Artikel 5,3 des Grundgesetzes garantiert, gedeckt waren, gab es nie einen Grund für Forderungen auf Eingriffe in die documenta und für Überlegungen und Vorschläge zur Einschränkung der Kunstfreiheit, die ja die documenta als Forum der ungeheuer vielfältigen und auch gegensätzlichen Strömungen der Weltkunstgemeinde in existentielle Gefahr brachten. Die documenta–Verantwortlichen hätten niemals dem Eindruck Vorschub leisten dürfen, dass es um Zensur und Selbstzensur gehen könnte. Sie hätten die Freiheit der documenta klar verteidigen müssen – wie das bis zur documenta fifteen immer selbstverständlich war. Kunst bedeutet immer auch Risiko, das müssen sie in Kauf nehmen. Ihre Aufgabe ist es, in der globalen Welt der Künstler*innen Lust auf die documenta zu wecken, Diskursplattformen für den Austausch von unterschiedlichen, auch gegensätzlichen Positionen zu bieten. Das hätte die Konsequenz aus dem Kommunikationsdesaster der documenta fifteen sein müssen.

Und noch etwas bleibt unfassbar: Wie kann man über Kunstfreiheit, über die Stellung der documenta in der globalen kulturellen Szene nachdenken, ohne eine einzige Expert*in von nationalen und internationalen Rang, Julian Nida-Rümelin, Wolfgang Ullrich, Walter Grasskamp, Hito Steyerl oder Tanja Bruguera z.B., um ihre Überlegungen und Ratschläge zu bitten? Mit solchem Provinzialismus ist die Zukunft der documenta nicht zu gewinnen. Die documenta ist ein Weltwunder, und es ist ein Weltwunder, dass sie in Kassel stattfindet. Was bleibt zu tun? Die Stadtgesellschaft sollte sich weiter für die Freiheit der Kunst und insbesondere für eine weltoffene und kreative freie documenta einsetzen.

Wir danken der Initiative #standwithdocumenta, die sich beispielhaft für die Freiheit der Kunst, damit auch für unser aller Freiheit und für unser Kassel eingesetzt hat.

Wolfram Bremeier Hans Eichel Bertram Hilgen

4 Antworten

  1. Wenigstens die schlimmsten Folgen sind nicht eingetreten. Es bleibt zu hoffen, dass sich international geachtete Kuratoren für die 16. Ausstellung interessieren.

    1. Hallo Horst, man würde das gerne so sehen! Leider hat die Politik hier einfach nicht verstanden, was Freiheit überhaupt ist! Das ist immer noch die Abwesenheit von Kontrollen und Zwang. Eine Anhörung wird der Kunstfreiheit ebenso nicht gerecht, wie der erweiterte Machtapparat des Geschäftsführers oder die Zugeständnisse an die Bundespolitik. Alles das fügt sich zu einem Klima des Misstrauens gegenüber Kurator*innen und Künstler*innen. Gepaart mit den nun geplanten neuen Förderrichtlinien wird Deutschland dadurch weniger frei. Für alle! Deine Befürchtung, dass sich keine Kurator*in finden wird ist unbegründet. Es gibt immer jemanden, die es noch macht.

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